Recherchen zu Nazistrukturen aus Hannover und der Region

Jens G. – Oberstleutnant der Wehrsportgruppe?

Am 08. September 2021 durchsuchten Polizist*innen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg sieben Grundstücke unter anderem in Berlin, Detmold, dem Raum Lüneburg und in der Wedemark. Die Staatsanwaltschaft wirft neun Beschuldigten die Gründung oder das Befehligen einer bewaffneten Gruppe vor. Bei den Durchsuchungen wurden 250 Waffen, Waffenteile und Munition sichergestellt. Am 14. September folgte eine weitere Razzia in der Wedemark. Der Polizei lagen Informationen über ein weiteres Waffenversteck vor. Wieder wurden Waffenteile und Munition gefunden. Laut HAZ fand eine der Razzien im Kreuzungsbereich Stargarder Straße/Samlandweg in Mellendorf statt. Sechs der neun Beschuldigten waren Reservisten der Bundeswehr und ehemalige Fallschirmjäger. Die Staatsanwaltschaft dazu:„Zu persönlichen Hintergründen der Beschuldigten, eventuellen Bezügen der Gruppe nach außen und die konkrete Ausgestaltung der Gruppe werden derzeit keine Angaben gemacht“¹ ² ³

Am 01. Oktober 2021 berichtete der Spiegel über die Ermittlungen. Laut Spiegel gehen die Sicherheitsbehörden dem Verdacht nach, dass die Gruppe Migrant*innen töten wollte. Kopf sei Jens G., ein Oberstleutnant der Reserve. Er soll Wehrsportübungen organisiert haben. Die Beschuldigten seien im Alter zwischen 37 und 53 Jahren. Die Ermittlungen waren nach einer Routineüberprüfung eines Referenten im Verteidigungsministerium durch den Militärischen Abschirmdienst in Gang gekommen, auf dessen Handy Verbindungen zu Jens G. entdeckt wurden. Der Referent war in der Abteilung „Strategie und Einsatz“ eingesetzt und hatte Zugang zu sensiblen Geheiminformationen. Der Spiegel berichtet weiter, dass G. ein leidenschaftlicher Militarist sei und ein Faible für Militärfahrzeuge habe.

Nach unseren Informationen handelt es sich bei Jens G. um Jens Grohnert. Jens Grohnert ist 1. Stellvertretender Kreisvorsitzender der Reservistenkreisgruppe Hannover. Die Kreisgruppe setzt sich aus 12 Kameradschaften und acht Arbeitsgemeinschaften mit ca. 1.100 Mitgliedern zusammen. Am Abend des 01. Oktober 2021, nachdem der Name „Jens G.“ im Spiegel als Kopf der Gruppe genannt wurde, verschwanden die Vorstandsmitglieder von der Webseite des Kreisverbandes. Lediglich der Kreisvorsitzende ist noch mit Namen, Dienstrang und Kontaktdaten gelistet.

Webseite der Kreisgruppe der Reserve am Abend des 01.10.2021 ohne Grohnert und restlichen Vorstand
Webseite der Kreisgruppe Reserve Hannover
Webseite der Kreisgruppe der Reserve Hannover mit Grohnert

Jens Grohnerts Tätigkeit als aktiver Reservist im Verbandsleben und im Feld  ist in vielen Zeitungsartikeln und auch in Publikationen des Reservistenverbandes dokumentiert. Er leitete Schießtrainings, wies Reservisten in Maschinengewehre ein, leitete Übungswochenenden mit Sanitäts- Absicherungs- und Orientierungsinhalten und war Verantwortlicher für Militärfahrzeugtreffen. Grohnert arbeitet als Zimmermann in der Wedemark.

Unter Grohnerts Facebookfreunden findet sich ein Constantin S. S. ist Oberstleutnant und kommandierte das Fallschirmjägerbataillon 263 mit Sitz in Zweibrücken bis zur Auflösung im März 2015. S. bildete danach Einzelkämpfer der Bundeswehr aus. Unter seiner Leitung kollabierten Lehrgangsteilnehmer. Ein ausbildender Hauptfeldwebel unter seinem Kommando konnte einer Verurteilung in dem Fall entgehen. Er einigte sich vor Gericht und zahlte eine Geldstrafe. Bei der Übergabe des Kommandos an eine andere Leitung posierte S. in den Medien und auf Facebook mit einem Spartaner-Schild seiner Lehrgruppe auf dem das Lambda-Zeichen, dem Symbol der Identitären Bewegung zu sehen ist. Augenscheinlich ist es zeremonieller Bestandteil der Einheit. Mittlerweile arbeitet S. im Verteidigungsministerium.

Constantin S. mit dem Wappenschild seiner Einheit, einem Spartanerschild

Auch bei Grohnert findet sich eine Verbindung zur sogenannten „Neuen Rechten“. Am 28. September 2001 protestierten Bundeswehr- und Reserveangehörige in der rechtskonservativen Zeitung Junge Freiheit mit einem Appell gegen die Entlassung des Oberleutnant der Reserve Götz Kubitschek aus einer Wehrübung wegen seines Buches über den Bosnienkrieg und seine Tätigkeit als Autor in der Jungen Freiheit. Zu den Unterzeichnern gehört „Jens Grohnert, Zimmermann / Oberleutnant d.R“ Kubitschek ist heute Autor und Publizist mit eigenem Verlag und betreibt mit dem „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda einen neurechten Thinktank.

 

GGrohnerts Selbastdarstellung auf Facebook
Grohnert posiert auf Facebook in Flecktarn vor einem Militärflugzeug

 

Update 06.10.2021:

Nach Recherchen des Informationsdienstes „blick nach rechts“ wohnt Jens Grohnert scheinbar in der Lüneburger Heide. Weiter hat bnr.de aufgedeckt, dass Grohnert 2016 an einem „Maitanz“ einer völkischen Sippe teilnahm. An dem damaligen Event nahmen diverse ihm vertraute Mitglieder der völkischen Szene teil, die Bezüge zum Rechtsterrorismus, Waffen und Sprengstoff haben. Laut „Blick nach rechts“ gehörte Jens Grohnert zum antisemitischen „Deutschen Wandervogel“. Sein Fahrtenname sei „Trüffel“. Unter seinen Facebookfreunden finden sich weitere Bündische und auch der Schwiegersohn des NPD-Landwirts Joachim Nahtz aus Eschede. Brisant: Nach Informationen des „Blick nach rechts“ war der Oberstleutnant der Reserve Grohnert dem niedersächsischen Verfassungsschutz bereits bekannt. Dieser führte ihn unter einer eignen Personennummer.  Schon 2002 nahm er mit seiner damaligen Ehefrau an Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ teil. Der niedersächsische Innlandsgeheimdienst führte ihn unter einer eigenen Personennummer.

Darüber hinaus, so berichtet bnr.de, gibt es einen weiteren interessanten Facebookfreund: „Der 2020 verstorbene Dr. Peter Boßdorf galt als langjähriger Bundeswehrexperte mit neu-rechtem Hintergrund. Unter seiner Leitung hatte sich der Mittler Report Verlag „zu einem Marktführer in der wehrtechnischen und sicherheitspolitischen Publizistik entwickelt“ wie es in einem Nachruf heißt. Boßdorfs Branchendienst beobachtet eigenen Angaben zufolge „politischen Prozesse im Verteidigungsausschuss und im Ministerium“. Leser finde der Verlag vor allem in den Führungsstäben und Einrichtungen der Bundeswehr, in Rüstungsbehörden auf EU- und Nato-Ebene, im Parlament, bei Leitmedien und Forschungsinstituten, sagte Boßdorf gegenüber „Politik & Kommunikation“.“, so bnr.de weiter.

Quelle: https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/v-lkischer-siedler-kopf-einer-mutma-lichen-wehrsportgruppe

Unabhängig von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen kann schon jetzt festgehalten werden, dass „Jens G.“ seit 20 Jahren extrem rechte Positionen vertritt und sich in einem völkischen und pseudo-germanischen Umfeld bewegt, aus dem bereits in der Vergangenheit rechtsterroristische Strukturen und Anschläge entstanden sind.

Auf der Webseite des Reservistenverbandes findet sich eine Handreichung des MAD für die Reserve, dort steht:

„[Die Dienstpflicht] fordert von der öffentlich bediensteten Person insbesondere, dass sie sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Von der Staatsdienerin oder dem Staatsdiener wird erwartet, dass sie/er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt.“ (MAD-Information Verfassung! In welcher Verfassung sind Sie?  I/2020)

Das Jens G. die Verfassung und die „verfassungsgemäßen Organe“ als einen hohen Wert anerkennt, kann demnach angezweifelt werden.